Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen zu den großen Volkskrankheiten in den Industrienationen mit hohen Sterberaten. Naturheilverfahren und die Ordnungstherapie können hier in der Primär- und Sekundärprävention einen wichtigen Beitrag leisten, insbesondere weil sie ein Umdenken bei den Patienten hin zu mehr Eigenverantwortung und -aktivität bewirken können.
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sind nach wie vor die häufigste Todesursache in Deutschland. Mit rund 331.000 Toten im Jahr 2019 waren laut Statistischem Bundesamt Herz-Kreislauf-Erkrankungen – vor allem ischämische Herzkrankheiten und Herzinfarkte – für mehr als ein Drittel der knapp 940.000 Todesfälle in diesem Jahr verantwortlich. In den letzten Jahrzehnten wurden zwar in der Behandlung des Koronarsyndroms und der arteriosklerotischen Folgeerkrankungen große Fortschritte in der medikamentösen und chirurgischen Versorgung erzielt, trotzdem liegen die Todes- und Erkrankungszahlen nach wie vor auf einem zu hohen Niveau. Vor allen Dingen ist die „Kehrseite" der insgesamt verbesserten Akutversorgung ein Anstieg der Patientenzahlen mit chronischen und langwierigen Krankheitsverläufen. Darüber hinaus führen die Fortschritte in der medikamentösen oder interventionellen Therapie von Folgeerkrankungen der Arteriosklerose zu steigenden Kosten in der Gesundheitsversorgung. Damit wächst vor allen Dingen die Bedeutung von Maßnahmen zur Primär- und Sekundärprävention insbesondere mit nicht medikamentösen Therapieansätzen. Hier kommen die Verfahren der Naturheilkunde, einschließlich der Ordnungstherapie, ins Spiel. Eine Lebensstilmodifikation mit gesunder Ernährung in Kombination mit körperlicher Aktivität, Nikotinverzicht und reduziertem Alkoholkonsum sowie Stressreduktion gilt als effektive Maßnahme in der Bekämpfung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber auch die Phytotherapie oder die Hydro-, Balneo- und Thermotherapien, reflektorische Maßnahmen wie Massagen oder ausleitende Verfahren sind sinnvolle therapeutische Maßnahmen in der Sekundärprävention oder Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Bedeutung der Ordnungstherapie im Kontext von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Ordnungstherapie ist eine der Säulen der Naturheilkunde. Schon Hippokrates erkannte die Bedeutung ordnungstherapeutischer Ansätze. Sebastian Kneipp war überzeugt, dass ordnungstherapeutische Maßnahmen immer oberste Priorität bei jeder Behandlung haben sollten. Die Ordnungstherapie gibt praktische Anleitung zur gesundheitsfördernden Lebensführung und Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung. Die Eigenkompetenz und Eigenaktivität der Patienten wird gefördert. Die so erzielte Bereitschaft zur Veränderung krankheitsbegünstigender Lebensstilfaktoren ist ein wichtiger Baustein einer erfolgreichen Behandlung.
Im Folgenden werden naturheilkundliche Therapieoptionen bei Hypertonie, koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz vorgestellt.
Risikofaktor Nr. 1: Bluthochdruck
Bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen u.a. nicht beeinflussbare Faktoren wie das Lebensalter, männliches Geschlecht, eine familiäre Prädisposition eine Rolle. Für die Vorbeugung und Sekundärprävention sind die beeinflussbaren Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Bewegungsmangel, Rauchen, Alkoholabusus, Adipositas und Übergewicht, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und psychosoziale Faktoren relevant. Von diesen ist der Bluthochdruck der wichtigste und häufigste Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Er führt schätzungsweise weltweit zu 9,4 Millionen Todesfällen pro Jahr und ist für 47 % der ischämischen Herzkrankheiten verantwortlich. Schon kleine Veränderungen des Blutdrucks können erhebliche Auswirkungen, z.B. auf Schlaganfall- und KHK-Risiko und -Erkrankungsraten haben. In der Praxis gestaltet sich die Erreichung eines Zielblutdrucks von < 140/90 mmHg oder 138/85 mmHg jedoch als herausfordernd, da viele Patienten die verschriebenen Antihypertensiva schon nach einem Jahr wieder absetzen. Deshalb sollten ordnungstherapeutische Aspekte eine wichtige Rolle im Therapeuten-Patienten-Gespräch spielen. Die Patienten müssen die Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Krankheit erkennen und mit den Ärzten und Therapeuten gemeinsam Strategien für eine Lebensstilmodifikation entwickeln.
Zu diesen Strategien zählen die Gewichtsreduktion und Gewichtsnormalisierung mit einem Ziel-BMI unter 25 kg/m². Eine Reduktion des Körpergewichts um 10 kg kann eine systolische Blutdrucksenkung von 5 bis zu 20 mmHg bewirken [1]. Als antihypertensive Kostform zur Gewichtsminimierung hat sich beispielsweise eine vollwertige pflanzenbasierte Ernährung (vegetarisch und vegan) bewährt. Die ebenfalls stark pflanzenbasierte Mediterrane Vollwertkost, die einen hohen Anteil ω-3-Fettsäuren aufweist, kann ebenfalls empfohlen werden. Im amerikanischen Raum hat sich die DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension) etabliert. Sie setzt auf eine salz- und fettreduzierte Ernährung mit hohen Anteilen von frischem Gemüse und Obst. Für sie wurden systolische Blutdrucksenkungen von 8–14 mmHg beschrieben [1]. Ein hoher Anteil an Obst- und Gemüse sorgt für eine hohe Kaliumzufuhr, die blutdrucksenkend wirkt. Die Patienten sollten zudem die Kochsalzaufnahme im Blick behalten insbesondere beim Verzehr von Convenience-Produkten und Fast-Food. Auch im Brot oder in verarbeitetem Fleisch ist viel Salz enthalten.
Studien haben gezeigt, dass therapeutisches Fasten oder Heilfasten den Bluthochdruck effektiv senken kann. Schon nach 24 Stunden sinkt der Blutdruck durch die initial gesteigerte Natriurese erheblich. Cave: Eine diuretische Therapie ist wegen der Gefahr von gefährlichen Hyponatriämien unter Kontrolle abzusetzen. Auch für Intervallfasten konnten erste Studien blutdrucksenkende Effekte aufzeigen.
Eine Einschränkung des Alkoholkonsums auf maximal 30 g bei Männern und 15 g bei Frauen pro Tag kann den systolischen Blutdrucks um 2–4 mmHg verringern.
Neben der Ernährungsumstellung spielt die Bewegungstherapie eine Hauptrolle in der Bekämpfung des Bluthochdrucks und anderer Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Ausmaß der Blutdrucksenkung durch Ausdauersport liegt bei 5–10 mmHg und bis zu 7 mmHg durch Krafttraining, wobei eine Senkung des Blutdrucks um 10 mmHg das Schlaganfall-Risiko um die Hälfte reduziert.
Die Intensität des Trainingsprogramms richtet sich nach der Blutdruckreaktion unter körperlicher Belastung, weshalb erstmal ein Belastungs-EKG gemacht werden sollte. Geeignete Sportarten sind Power-Walking, Nordic Walking oder Joggen in der Ebene, weil bei dieser Bewegungsform der arterielle Mitteldruck am geringsten ansteigt. Präventiv muss ein aerober dynamischer Ausdauersport regelmäßig durchgeführt werden und zwar 4–5-mal pro Woche jeweils 30–45 Minuten. Die Art der Aktivität sollte den individuellen Fähigkeiten und Neigungen angepasst werden. Bei bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann das regelmäßige Ausdauertraining den Prozess der Erkrankung verlangsamen, wird ihn aber nicht ganz stoppen [4].
Stress zählt neben anderen psychosozialen Faktoren ebenfalls zu den Risikofaktoren für Bluthochdruck und die Entstehung anderer Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Chronischer Stress konnte beispielsweise mit dauerhaft erhöhten Blutdruckwerten in Verbindung gebracht werden. In der Bluthochdrucktherapie stehen verschiedene Entspannungsverfahren zur Verfügung. Dazu zählt Meditation und Achtsamkeitstraining, Yoga, Tai-Chi und Qigong, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR) und Autogenes Training [5]. Allerdings ist bei einigen Verfahren die Studienlage heterogen. Ob sie als alleinige Maßnahmen zur Prävention und Therapie des Bluthochdrucks Grad 1 ausreichen ist noch offen. Bei mittelschwerer oder schwerer Hypertonie sind sie als alleinige oder auch als adjuvante Therapieoption nicht angezeigt [6].
Regelmäßige hydrotherapeutische Anwendungen können ebenfalls zur Blutdrucknormalisierung beitragen. Diese Wirkung ist u.a. für die Anwendung von feuchtkalten Brust- und Leibwickeln, wechselwarmen Teilgüssen, ansteigende Teilbädern, Senfmehl- bzw. Ingwer-Fußbäder und Vollbädern belegt. Auch für ausleitende Verfahren wie den Aderlass sind als adjuvante Therapie blutdrucksenkende Eigenschaften beschrieben [7].
Naturheilkundliche Therapieoptionen bei Koronarer Herzkrankheit (KHK)
Im Sinne der Sekundärprävention lassen sich mit naturheilkundlichen Verfahren die Folgen nach einem akuten Koronarsyndrom und eine chronische KHK mit stabiler Angina pectoris behandeln. Hierbei ist das Therapieziel die Beeinflussung der Gefäßregulation und -sklerose, eine vegetative Umstimmung sowie die Stärkung des Herzens. Dafür können hydro-, balneo- und thermotherapeutische Maßnahmen wie Güsse und Teilbäder, aber auch Wickel und Saunabäder zum Einsatz kommen. Diese müssen individuell in der Reizstärke an den Gesundheitszustand des Patienten angepasst werden. Sie sind regelmäßig durchzuführen. Von Vollbädern und kalten Tauchbädern ist aufgrund der Belastung für das Herz abzuraten. Bei akuten pektanginösen Beschwerden können adjuvante feuchte Herzauflagen z.B. mit Lavendelöl lindernd wirken. Massagen können die periphere Durchblutung fördern und den peripheren Widerstand senken. Damit reduzieren sie die Herzarbeit [7].
Phytotherapeutisch hat sich Weißdorn bei koronarer Herzkrankheit bewährt. Johanniskraut wird ebenfalls traditionell bei Herzleiden eingesetzt. Baldrian und Melisse können zur Beruhigung ergänzt werden.
Ähnlich wie für den Bluthochdruck haben sich Entspannungsverfahren auch bei KHK als wirksam erwiesen. Insbesondere für die Meditation und das Achtsamkeits-Programm „Mindfulness Based Stress Reduction" von Kabat-Zinn liegen Wirksamkeitsbeleg vor. Aber auch für atemorientierte Entspannungsverfahren wie Yoga konnten positive Effekte insbesondere bei Herzinsuffizienz gezeigt werden [6, 7].
Die regelmäßige körperliche Aktivität ist für die Primär- und Sekundarprävention von Koronarer Herzkrankheit vorrangig. Die Bewegung bessert die Gefäßendothelfunktion, Leistungsfähigkeit, Beschwerden und das kardiovaskuläre Gesamtrisiko. Vor Beginn eines körperlichen Trainingsprogramms sollte jedoch eine kardiologische Diagnostik stattfinden. Die Mediterrane Ernährung kann nicht nur das Bluthochdruckrisiko, sondern auch allgemein das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.
Herzinsuffizienz
Einer Herzinsuffizienz liegen häufig eine koronare Herzerkrankung und eine arterielle Hypertonie zugrunde. Daher müssen zur Prävention der Herzinsuffizienz vorrangig diese Grunderkrankungen behandelt werden. Eine naturheilkundliche Therapie ist daher adjuvant durchzuführen und ersetzt die medikamentöse und interventionelle Therapie nicht.
Zur adjuvanten Behandlung der Herzinsuffizienz haben sich einige hydrotherapeutische Maßnahmen wie moderate warme Dampfbäder, Kohlendioxidbäder sowie Sitzvollbäder bewährt. Konventionelle Vollbäder sind wegen der kardialen Belastung zu vermeiden. Seriell angewendet sind auch ansteigende Kneipp'sche Armbäder sowie Kaltreize mit wechselwarmen Güssen und Brustwickeln bei Herzinsuffizienz wirksam [7]. Auch Atemtherapien haben sich bei Herzinsuffizienz als wirksam herausgestellt [6]. Sie können die Leistungsfähigkeit und Sauerstoffversorgung steigern. Bei ersten Anzeichen einer chronifizierten Ödembildung können Lymphdrainagen zur Entstauung beitragen. Antiödematös wirken auch Teilfasten- oder Entlastungstage (z.B. Reis- und Obsttage). Phytotherapeutisch kann eine Langzeittherapie mit Weißdornextrakten bei Herzinsuffizienz NYHA I-II zu einer Verbesserung der Beschwerden und der Lebensqualität beitragen.
Fazit: Risikofaktorenmanagement
50–80% der kardiovaskulären Erkrankungen und Mortalität werden durch Lebensstil und Ernährung bestimmt. Umso wichtiger ist ein konsequentes Risikofaktorenmanagement sowohl in der Primär- als auch der Sekundärprävention. Das Ziel ist, die Betroffenen zu einer konsequenten Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und des Lebensstils zu motivieren. Rauchstopp, Gewichtsreduktion, mäßiger Alkoholkonsum und eine normokalorische mediterrane Ernährung sind hierbei nur einige Maßnahmen. Insbesondere körperliche Aktivität, Blutdrucksenkung und eine regelmäßige Kontrolle der Blutfette gehören dazu. Naturheilkundliche Verfahren können die Therapie unterstützen. Wichtig ist allen Dingen eine enge Therapeuten-Patienten-Kommunikation bei der in ausführlichen Gesprächen die Lebensweise ein Thema ist.
Literatur