Männer mit Bluthochdruck scheinen im Vergleich zu Männern mit normalen Blutdruckwerten den Ärger anderer Personen verzerrt wahrzunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Konstanz.
Bluthochdruck hat bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle keine erkennbaren organischen Ursachen. Fachleute sprechen dann von einer essenziellen Hypertonie. Könnten psychologische Faktoren hier eine Rolle spielen? Dieser Frage gingen die Konstanzer Gesundheitspsychologinnen zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Konstanz und der Schweiz in einer mehrjährigen Studie mit männlichen Probanden nach. Sie wollten die psychobiosozialen Mechanismen von Bluthochdruck besser verstehen, weil die bisherige Forschung in diesem Bereich viele Fragen offen lässt.
Sie konnten nun zeigen, dass essenzielle Hypertoniker im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit normalem Blutdruck häufiger meinen, Ärger in Gesichtern anderer Personen zu erkennen. Zudem scheint eine solche Ärgerüberschätzung über die Jahre dann zu Bluthochdruck beizutragen, wenn jemand dazu tendiert, sich oft zu ärgern. Diese Tendenz wird als Eigenschaftsärger bezeichnet.
Wahrnehmung von Mischemotionen untersucht
In ihrer Studie, an der 145 Männer teilnahmen, legten die Forschenden den Probanden verschiedene Bilder vor. Diese zeigten Menschen, die verärgert waren. Allerdings war Ärger nie alleine abgebildet, sondern kombiniert mit einer von drei anderen Emotionen: Angst, Freude und Traurigkeit. Hintergrund ist, dass der Ausdruck einer einzigen Emotion in einem Gesicht im Alltag eher selten vorkommt und Menschen stattdessen häufiger Mischemotionen zeigen. Die am Computer bearbeiteten Bilder zeigten jeweils zwei Emotionen in unterschiedlich starken Ausprägungen. Die Teilnehmer wurden gefragt, welche Emotion sie auf den Bildern sahen.
Die Hypertoniker haben häufiger Ärger erkannt als eine andere Emotion. Sie überschätzten den Ärger in den gezeigten Gesichtern gegenüber der Vergleichsgruppe mit normalem Blutdruck. Das Erkennen von Ärger anderer Personen scheint zudem zu beeinflussen, ob sich hoher Eigenschaftsärger überhaupt auswirkt und es zu Blutdruckanstiegen kommt. Somit sei Bluthochdruck etwas, bei dem zwischenmenschliche Faktoren eine Rolle zu spielen scheinen.
Bluthochdrucktherapie verbessern
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Ergebnisse von anderen Forschenden aufgegriffen und experimentell weiter bestätigt werden. Ein nächster Schritt wäre dann, dass Personen mit essenzieller Hypertonie gezielter unterstützt werden können, hoffen die Forschenden. Im Blick haben sie therapeutische Behandlungen, die die Wahrnehmung des sozialen Umfelds adressieren, mit dem Ziel, sich vom Ärger anderer weniger „anstecken" zu lassen.
Wichtig wären derartige Ansätze, weil Bluthochdruck-Medikamente bisher nur die Folgen der Hypertonie abschwächen, nicht aber ursächlich wirken. Hinzu kommt, dass Bluthochdruck einer der Hauptrisikofaktoren für Herzkreislauf-Erkrankungen ist.
Und was ist mit Frauen? Die Forschenden hoffen, dass diese in einer Folgestudie in den Blick genommen werden. Da Frauen Emotionen möglicherweise anders wahrnehmen als Männer und es weniger Frauen gibt, die an Bluthochdruck leiden, haben sie sich zunächst auf Männer konzentriert.
Originalpublikation
Alisa Auer et al. Do Hypertensive Men Spy With an Angry Little Eye? Anger Recognition in Men With Essential Hypertension – Cross-sectional and Prospective Findings. Annals of Behavioral Medicine, 2022; kaab108
Quelle
Pressemitteilung der Universität Konstanz