Hilfe bei depressiven Verstimmungen

Depressionen sind weit verbreitet. Aber nicht jedes Stimmungstief bedeutet gleich eine Depression. Die typischen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Müdigkeit, Antriebslosigkeit aber auch Schlafstörungen oder nervöse Unruhe können unter Umständen auch Anzeichen einer depressiven Verstimmung sein. Lebensstiländerungen, nicht medikamentöse Maßnahmen oder pflanzliche und homöopathische Arzneipflanzen können dann gut helfen.

Depressionen gehören neben Angststörungen insgesamt zu den häufigsten psychischen Störungen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) litten im Jahr 2015 mit einer weltweiten Prävalenz von 4,4 % mehr als 300 Millionen Menschen an einer Depression [1]. Krankenkassendaten zufolge erhält in Deutschland mehr als jede/r zehnte Person eine Depressionsdiagnose pro Kalenderjahr [2]. Studien des RKI bestätigen den Trend: Bei jedem zehnten Teilnehmenden bestand in den vergangenen zwei Wochen eine depressive Symptomatik (10,1 %) [3]. Eine aktuelle Analyse von Versichertendaten der DAK-Gesundheit aus dem Jahr 2021 zeigen, dass der wichtigste Krankschreibungsgrund wegen psychischer Erkrankungen eine Depression ist. Insgesamt ist nach Angaben der Krankenkasse die Zahl an Ausfalltagen wegen psychischer Erkrankungen in den letzten zehn Jahren insgesamt um 41 Prozent angestiegen [4]. Frauen sind deutlich häufiger von Depressionen betroffen als Männer.

Depressive Verstimmung oder Depression
Depressionen umfassen ein heterogenes Spektrum depressiver Symptome und Störungen, welche sich in ihrem Schweregrad und Verlauf unterscheiden. Während depressive Verstimmungen nur kurz andauern, kann eine Depression das ganze Leben der Betroffenen überschatten. Viele Menschen erleben gelegentliche Phasen depressiver Verstimmung, die durch aktuelle Belastungen wie Stress, finanzielle Sorgen, familiäre oder berufliche Konflikte, Trauer oder auch vorübergehende körperliche Einschränkungen ausgelöst werden können. In den meisten Fällen bessert sich die Stimmung zeitnah wieder. Übersteigen die Belastungsfaktoren die persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten, kann sich auch aus einem Stimmungstief eine ernst zu nehmende Depression entwickeln.

Heterogene Symptomatik
Depressive Episoden sind gekennzeichnet durch verschiedene Symptome: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, nächtliche Unruhe, Schlafstörungen, Veränderungen des Appetits und mangelndem Interesse an Aktivitäten, die sonst Freude bereiten, gehören ebenso zu den Kennzeichen einer depressiven Störung wie Konzentrationsprobleme und Leistungsminderung, vermindertes Selbstvertrauen und in schweren Fällen sogar Selbstmordgedanken. Es können sich auch somatische Beschwerden zeigen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Magen-Darm-Probleme oder Herzbeschwerden.

Was die Seele „verstimmt"
Die genaue Ursache von Depressionen ist unklar; es gibt jedoch eine Reihe von Faktoren, die das Depressionsrisiko erhöhen können. Dazu zählen eine genetische Prädisposition sowie das weibliche Geschlecht und das Alter. Aber auch anhaltender Stress, Arbeits- und Zeitdruck zählen zu den häufigen Auslösern für depressive Verstimmungen und Depressionen. Die Stressstudie 2021 der Techniker Krankenkasse (TK) hat gezeigt, dass ein gutes Drittel der häufig gestressten Menschen (34 Prozent) über niedergedrückte Stimmung oder sogar Depressionen klagt. Unter den selten Gestressten leiden nur sieben Prozent unter Depressionen. Bei häufigem Stress verfünffacht sich demnach das Depressionsrisiko [5].

Stress und Probleme können zudem auslösende Faktoren für Schlafstörungen sein, die wiederum mit einem erhöhten Risiko für Depressionen einhergehen. Genauso können Trauer und traumatische Lebenserfahrungen depressive Verstimmungen oder Depressionen triggern. Darüber hinaus beeinflussen nicht selten körperliche Faktoren wie eine Hormonumstellung in der Pubertät, Schwangerschaft oder in den Wechseljahren die Psyche und lösen depressive Episoden aus. Eine Fehlfunktion der Schilddrüse, Diabetes mellitus, Parkinson-Krankheit oder Demenzen können mit Depressionen einhergehen. Auch neurologische Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit oder Demenzen gehen mit ausgeprägten Stimmungstiefs und Depressionen einher. Risikofalten sind auch anhaltende Schmerzen oder körperliche Belastungen aufgrund von Erkrankungen. Verschreibungspflichtige Medikamente wie etwa Betablocker oder Schlafmittel können genauso wie das Absetzen einiger Medikamente Depressionen hervorrufen.

Besonders anfällig für depressive Verstimmung sind ältere Menschen. Krankheiten, Medikamente und einschneidende Lebensereignisse (Tod des Partners, Umzug in eine Pflegeinrichtung) beeinflussen die Lebensqualität und damit das Gemüt in dieser Lebensphase besonders. Die Gefahr ernstzunehmender Depressionen steigt und auch die Selbstmordrate erreicht mit dem Alter den Gipfel.

Nicht zuletzt entwickeln alkoholabhängige Menschen teilweise anhaltende depressive Symptome.

Weniger bekannt ist, dass das sogenannte Boreout-Syndrom mit depressionsartigen Symptomen einhergeht. Der Begriff wurde 2007 von Philippe Rothlin und Peter Werder zur Beschreibung gesundheitlicher Folgeschäden durch Unterforderung am Arbeitsplatz geprägt. Die Betroffenen können Symptome entwickeln, wie sie auch bei einer Depression auftreten. Die Differentialdiagnose ist daher nicht immer leicht. Das Boreout-Syndrom ist aber weiter verbreitet als gedacht. Eine Umfrage der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin aus dem Jahr 2011 hat zeigt, dass elf Prozent der Erwerbstätigen sich beruflich unterfordert fühlen. Der Stressreport 2012 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach fühlen sich 13 Prozent der abhängig Beschäftigten fachlich und fünf Prozent mengenmäßig im Job unterfordert. Es kann sich also lohnen, bei depressiver Symptomatik auch an ein Boreout-Syndrom zu denken.

Diagnostik
Nicht jedes Stimmungstief ist behandlungsbedürftig. Daher muss jede Depression von vorübergehenden Verstimmungszuständen oder Trauer abgegrenzt werden. Da die Übergänge fließend sind, ist eine umfangreiche psychische Befunderhebung notwendig. Im Falle der Depression ist es für einen positiven Verlauf der Erkrankung wichtig, dass die Diagnose früh erfolgt. Denn je weniger Krankheitsepisoden der Betroffene bei Behandlungsbeginn hatte, desto besser spricht er in der Regel auf die Therapie an.
Hilfreich kann es sein, Angehörige in die Befragung einzubeziehen. Vorerkrankungen und bestehende Medikation sind zu klären. Organische Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik müssen ausgeschlossen werden. Bei älteren Patienten ist ein Ausschluss einer Demenz-Erkrankung wichtig. Geklärt werden sollte auch, ob eine familiäre Belastung vorliegt, und eine Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen wie Angst- und bipolaren Störungen oder Schizophrenie muss erfolgen.

Was hilft?
Depressive Episoden lassen sich zwar lindern oder heilen, aber in mehr als 50 Prozent der Fälle kommt es zu Rezidiven und zur Chronifizierung. Deshalb ist eine frühe therapeutische Intervention wichtig. Die Standardtherapie sieht den Einsatz antidepressiver Medikamente, die Durchführung einer Psychotherapie oder die Kombination beider Maßnahmen vor.

Bei depressiven Verstimmungen und Depressionen haben sich Lebensstilmodifikationen bewährt. So sollten unnötige Stressoren, wo möglich, abgeschaltet werden. Dazu müssen oftmals Wege erlernt werden, mit stressigen Situationen erfolgreich umzugehen. Hier hilft eine positive Einstellung auch Krisen gegenüber – also um eine Haltung, die für Gelassenheit und Selbstsicherheit im Stress sorgt. Manchmal kann es helfen, die Betroffenen anzuleiten, ihre eigene Haltung zu analysieren und zu hinterfragen, damit sie die eigenen typischen, stressauslösenden oder -verstärkenden Verhaltensmuster erkennen. Dazu gehören beispielsweise unrealistische Erwartungen.

Begleitend können stressabbauende Maßnahmen wie Sport, Bewegung an der frischen Luft, Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Meditation, Yoga oder auch Atemtherapie helfen, Stress zu reduzieren und wieder einmal abzuschalten. Soziale Kontakte und Austausch mit anderen Menschen können ebenso helfen, aus dem Stimmungstief herauszukommen.

Bei Schlafstörungen stehen neben Verhaltenstherapien u.a. auch verschiedene nicht medikamentöse Maßnahmen und Phytopharmaka zu Verfügung. Zu den Heilpflanzen zählen Baldrianextrakte für leichte nervöse Spannungszustände und Schlafstörungen. Die Wirkstoffe der Heilpflanze wirken darüber hinaus auch bei Unruhe und nervösen Erregungszustände. Lavendelöl ist sinnvoll, wenn Ängste und Sorgen nachts den erholsamen Schlaf stören, Passionsblumen-Extrakte bei Angstsymptomen und Schlafstörungen. Melisse unterstützt bei Einschlafstörungen und wirkt beruhigend bei innerlicher Angespanntheit, Unruhe sowie Reizbarkeit.
Aber auch mit kleinen Lebensstilveränderungen und etwas „Schlafhygiene" lässt sich einiges erreichen. So sollten Betroffene mit Schlafstörungen tagsüber nicht schlafen und erst ins Bett gehen, wenn sie wirklich müde sind. Rechtzeitig vor dem Schalgengehen sollten die Tagesaktivitäten eingestellt werden und es gilt zur Ruhe zu kommen. Schwere Mahlzeiten am Abend, Alkohol und Rauchen sollten vermieden werden.

Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird als Phytotherapeutikum bei leichten bis mittelschweren Depressionen verordnet, ebenso bei psychovegetativen Störungen, Angstzuständen und nervöser Unruhe. Auch bei Schlafstörungen aufgrund von leichten Depressionen und bei entsprechenden Symptomen während der Wechseljahre hat sich Johanniskraut bewährt. Anders als synthetische Antidepressiva sind Johanniskraut-Extrakte arm an Nebenwirkungen und gut verträglich. Bei der Behandlung mit phytotherapeutischen Johanniskraut-Präparaten entfaltet sich die Wirkung allerdings erst frühestens nach zwei bis drei Wochen, häufig ist eine zufriedenstellende Wirkung erst nach die bis fünf Wochen zu sehen. Das sollte mit den Patienten vor Behandlungsbeginn besprochen werden, um Enttäuschungen oder einem Therapieabbruch vorzubeugen.

Hypericum wird auch in der Homöopathie u.a. bei traumatischen Zuständen und Depressionen verwendet. Wahlanzeigend sind z.B. große Schläfrigkeit oder Schlaflosigkeit mit Erregtheit und verwirrten Gedanken sowie depressive und melancholische Zustände.

Bei Niedergeschlagen wegen Erschöpfung sind zum Beispiel Ginseng, Taigawurzel oder auch Rosenwurz geeignete pflanzliche Heilpflanzen zur Stärkung.

Quellen

  1. Vos T, Allen C, Arora M et al. Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 310 diseases and injuries, 1990–2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet 2016; 388(10 053): 1545–1602
  2. Jacobi F, Bretschneider J, Mullender S. Veränderungen und Variationen der Häufigkeit psychischer Störungen in Deutschland – Krankenkassenstatistiken und epidemiologische Befunde. In: Kliner K, Rennert D, Richter M (Hrsg.). BKK Gesundheitsatlas 2015. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 63–71
  3. Bretschneider J, Kuhnert R, Hapke U. Depressive Symptomatik bei Erwachsenen in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2017; 2(3): 81–88. https://edoc.rki.de/handle/176904/2788
  4. DAK-Psychreport 2022: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/psychreport-2022-2533048.html#/
  5. Stress-Studie 2021 der TK. https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-stressstudie-2021-2116458
Nichts ist so heilsam, wie die Natur.