Eine Studie zeigte nun erstmals, dass der regelmäßige Gebrauch von Abführmitteln mit einem signifikant höheren Demenzrisiko assoziiert ist. Laxanzien können die Epithelbarrieren des Darms stören und den Übergang von aus dem Darmmikrobiom stammenden neurotoxischen Stoffwechselprodukten in das zentrale Nervensystem erleichtern und inflammatorische Prozesse begünstigen.
Eine große prospektive, populationsbasierte Kohortenstudie analysierte den Zusammenhang zwischen der Anwendung verschiedener Abführmittel (Laxanzien) und dem Demenzrisiko [1]. Die Daten für die Studie entstammen einer Biobank aus Großbritannien (˃500.000 Freiwillige, 40-69 Jahre). Die Teilnehmenden waren zu Studienbeginn nicht an Demenz erkrankt. Als chronischer Laxanziengebrauch galt eine Einnahme an den meisten Tagen einer Woche in den vier Wochen vor der Studienaufnahme (im Zeitraum 2006-2010). Outcome war die Diagnose einer Demenz jeglicher Ursache (laut Klinikstatistiken und Sterberegister bis 2020). Statistisch adjustiert wurden die Ergebnisse hinsichtlich soziodemografischer Merkmale, Begleiterkrankungen, Familienanamnese und sonstiger regelmäßiger Medikamenteneinnahme.
Insgesamt konnten 502.229 Teilnehmende ausgewertet werden (mittleres Alter 56,5±8,1 Jahre; 54,4 % weiblich); von diesen nahmen 18.235 (3,6 %) regelmäßig Abführmittel. Die Nachbeobachtung betrug durchschnittlich 9,8 Jahre. In dieser Zeit erhielten 1,3 % der Teilnehmenden, die regelmäßig Abführmittel eingenommen hatten, eine Demenzdiagnose – jedoch nur 0,4 % der Teilnehmenden, die nicht davon Gebrauch machten. Statistisch errechnete sich bei regelmäßigem Laxanziengebrauch ein signifikant erhöhtes Demenzrisiko von 50 % (HR 1,51). Der Abführmittelgebrauch war dabei signifikant mit der Entstehung vaskulärer Demenzen assoziiert (HR 1,65), nicht jedoch mit der Alzheimer-Demenz (HR 1,05). Das Risiko für Demenzen insgesamt sowie für die vaskuläre Demenz stieg mit der Zahl der eingenommenen unterschiedlichen Laxanzien an. Von den Teilnehmenden, die angaben, nur eine Sorte Abführmittel zu nehmen (n=5.800), war nur die Gruppe der osmotisch wirksamen Abführmittel signifikant mit dem allgemeinen Demenzrisiko (HR 1,64) und dem für Demenzen vaskulärer Ursache (HR 1,97) assoziiert. Osmotische Abführmittel „ziehen" Wasser in das Darmlumen, was den Stuhl verdünnt. Bei einem zu häufigen Gebrauch oder bei zu hohen Dosen kann es zu einem gestörten Mineralstoff- und Wasserhaushalt kommen.
Doch wie können Abführmittel das Demenzrisiko beeinflussen?
Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse (z.B. der Vagusnerv, aber auch Millionen weiterer Nervenverbindungen) „kommunizieren" Darm und Gehirn. Bekannt ist, dass eine gestörte Darmflora (Dysbiose) diese Signalübertragung und sogar die Produktion von Neurotransmittern beeinflussen kann [3] – und eine Studie zeigte bereits 2018, dass osmotisch wirksame Laxanzien das Mikrobiom verändern [4]. Abführmittel können auch die Epithelbarrieren des Darms stören und den Übergang von aus dem Darmmikrobiom stammenden neurotoxischen Stoffwechselprodukten in das zentrale Nervensystem erleichtern und inflammatorische Prozesse begünstigen.
Die Studie ist keine randomisierte-kontrollierte Studie, daher nicht beweisgebend, dass Abführmittel das Demenz-Risiko tatsächlich erhöhen. Weitere Untersuchungen sind deshalb notwendig. Dennoch rät die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) angesichts des Ergebnisses zur Vorsicht im Umgang mit Laxanzien, gerade vor dem Hintergrund, dass Demenzerkrankungen immer weiter zunehmen.
Derzeit nehmen ca. 20 % der Allgemeinbevölkerung und 70 % der Pflegeheimbewohner [5, 6] regelmäßig Abführmittel ein. Nach Ansicht des Experten könnten viele Menschen darauf verzichten, wenn sie ihre Ernährung umstellten und mehr Ballaststoffe, enthalten in Obst, Gemüse und Vollkornprodukten, und vor allem auch ausreichend Flüssigkeit in Form von Wasser oder ungesüßten Tee zu sich nehmen würden. Eine solche Ernährungsumstellung könnte gleich eine doppelte Schutzwirkung gegen Demenz haben: Zum einen lässt sich in vielen Fällen auf Abführmittel verzichten, die einen potenziell schädigenden Einfluss auf die Hirngesundheit haben, zum anderen gilt eine gesunde Ernährung per se als wichtige Säule der Demenzprävention. Für den Erhalt der geistigen Funktion bis ins hohe Alter lohnt es sich in jedem Fall, seine Ernährung umzustellen, so die DGN.
Literatur
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)