Strophantin, der Wirkstoff der Strophantus-Samen, leistet bei funktionellen und nervös bedingten Herzbeschwerden, Herzrhythmusstörungen und leichten Formen der Herzinsuffizienz gute Dienste. War es lange Zeit ein weit verbreitetes pflanzliches Arzneimittel, wird es heute überwiegend homöopathisch eingesetzt.
Die Gattung Strophanthus zählt zur Familie der der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae). Die üppig wuchernde, holzig immergrüne Schlingpflanze gedeiht in Afrika und Asien. Es gibt mehr als 40 verschiedene Strophantusarten, Zu medizinischen Zwecken werden überwiegend die zwei Arten Strophanthus gratus und Strophanthus kombé genutzt, die in den heißen, tropischen Regionen Afrikas zu Hause sind. Weiße Blüten wachsen von Oktober bis Dezember an den Astspitzen der Buschsträucher oder Lianen. Diesen lang und spitz auslaufenden, spiralig verdrehten Blütenblätter verdankt die Pflanze ihren Namen: „Strophos“ = gedrehtes Seil“ und „Anthos“ bezeichnet im Griechischen die Blüte. Die Arzneidroge wird aus den reifen, getrockneten und entfetteten Samen, die braun/gelb und spindelförmig sind, gewonnen.
Die beiden medizinisch verwendeten Strophanthusarten enthalten das Herzglykosid Strophanthin. Man unterscheidet zwei verschiedene Arten: das k-Strophanthin des Strophantus kombé und das g-Strophanthin (Quabain) des Strophantus gratus.
Die Strophantusarten wirken alle pharmakologisch ähnlich wie Adonis, Convallaria und Scilla und unterscheiden sich nur leicht von der Wirkung des Digitalis,
der stärker kumulativ wirkt.
Strophantin (Cardenolidglykosid Ouabain)
Die Einheimischen Afrikas haben die Samen der Strophantuspflanze traditionell zur Herstellung von Pfeilgift für die Jagd verwende, da es ein potentes Muskelgift ist. Die Wirkung des Strophanthins auf das Herz wurde 1859 durch Zufall während einer Afrika-Expedition des Forschers David Livingstone entdeckt. Nachdem die Zahnbürste des schottischen Botanikers und Mitreisenden Dr. John Kirk aus Versehen mit einer kleinen Menge des Strophanthus-Samen verunreinigt worden war, besserten sich seine Herzbeschwerden plötzlich nach dem Zähneputzen. Nachdem David Livingston diese Erkenntnis mit nach England brachte, wurde dort Ende des 19. Jahrhunderts erstmals die Wirkung des Strophanthins wissenschaftlich untersucht.
Als „Tinctura Strophanthi“, einem alkoholischem Extrakt, wurde die Pflanze daraufhin als Medikament bei Patienten mit Herzinsuffizienz eingesetzt. Anfang des 20. Jahrhunderts (1905) konnte der deutsche Arzt Albert Fraenkel die positive Wirkung intravenöser Gaben von Strophanthin bei Herzinsuffizienz belegen, eine Therapie, die bis in die 1950er Jahre sehr weit verbreitet war. In den Jahren zwischen1930 und 1970 entwickelten sich strophantinhaltige Präparate zu populären Heilmittel bei Herzerkrankungen und das Anwendungsspektrum weitete sich auf die Indikationen Angina pectoris, koronarer Herzkrankheit, Prävention des Herzinfarkts und akute und chronische Herzinsuffizienz aus. Hinzu kam die orale Anwendung des g-Strophanthins, die auf den Mediziner Berthold Kern zurückging. In den Jahren 1970–2000 gab es zwar mehr als zwei Dutzend Strophanthin-Präparate, doch nach und nach geriet das Medikament und insbesondere die orale Verabreichung in Verruf. Es war ein Streit um die Wirksamkeit und Bioverfügbarkeit von Strophanthin entbrannt, der dazu führte, dass Ärzte verunsichert waren und das Medikament nicht mehr verschrieben. Zunehmend rückten zudem andere Herzmedikamente wie Digitalis, Blutdruck- und Cholesterinsenker in den Mittelpunkt der Therapie. Das letzte Strophanthin-Medikament in Form eines Fertigarzneimittels ist 2011 vom Markt genommen worden.
In den letzten Jahren ist das Interesse der Wissenschaft an Strophanthin wieder etwas gestiegen, da Studien darauf hinweisen, dass Strophanthin bei zahlreichen Prozessen im Körper eine Rolle spielt. So wird z.B. diskutiert, ob Strophanthin u.a. einen Effekt auf das Gehirn, bei Alzheimer, Schädel-Hirn-Traumata oder Schlaganfällen hat.
Strophanthin erhöht die Schlagkraft des Herzens (positiv inotrop) und verlangsamt den Herzschlag (negativ chronotrop). Es wirkt direkt auf den Herzmuskel ein, indem es dessen Kontraktionskraft fördert. Darüber hinaus verbessert es den Stoffwechsel im Herzmuskel und macht den Herzmuskel resistent gegen Sauerstoffmangel. Ferner wird der Blutdruck „normalisierend“. Strophantin senkt zudem den Stresshormonspiegel im Blut und fördert den Stressabbau.
Die beiden Wirkstoffe g- und k-Strophanthin haben ein unterschiedliches Wirkprofil und wurden deshalb bei Herzbeschwerden unterschiedlich angewandt. k-Strophanthin wurde hauptsächlich bei Herzinsuffizienz eingesetzt und g-Strophanthin kam bei einem akuten Herzinfarkt und Angina Pectoris („Herzenge“) oder auch vorbeugend zum Einsatz.
Strophanthin als pflanzliches Arzneimittel hat seine hervorragende Wirksamkeit bei Herzerkrankungen in der Praxis bewiesen. Es wurde jahrzehntelang bei leichten Formen der Herzmuskelinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Koronarer Herzkrankheit oder einer eingeschränkten Herzfunktion nach einem Infarkt intravenös verabreicht oder in Form von Tropfen oder Tabletten oral als Tinktur oder Kapsel eingenommen. Es wirkt als mildes Kardiotonikum. Besonders nervös bedingte Herzbeschwerden sowie die Angst davor lassen sich gut bessern.
Homöopathisch werden die reifengetrockneten und entfetteten Samen von Strophanthus (g-Strophantin) als Urtinktur verwendet. Strophanthus ist das Mittel der Wahl bei nervösen Herzbeschwerden, die mit Enge in der Brust, Angst und Ödembildung einhergehen können. Aber auch ein gerötetes Gesicht und sehr scharlachrote Lippen oder ein beschleunigter oder auch verlangsamter Puls sind wahlanzeigende Symptome. Nicht zu vergessen sind die Erwartungsspannungen und die Angst vor unangenehmen Überraschungen, von denen die Patienten berichten.