Zu den häufigsten funktionellen Blasenbeschwerden zählen die überaktive Blase und Blasenschwäche, die nicht selten auch gemeinsam auftreten. Die Therapie ist im Regelfall multimodal und umfasst u.a. Beckenbodentraining, Verhaltenstherapie, Anticholinergika sowie Elektrostimulation. Aber auch die Phytotherapie bietet einige bewährte und vor allem nebenwirkungsarme traditionelle Behandlungsansätze.
Die überaktive Blase (engl. overactive bladder/idiopathic overactive bladder), auch Reizblase genannt, gehört zu den häufigen Krankheitsbildern in der Sprechstunde und stellt ein ernsthaftes Gesundheitsproblem für die Betroffenen dar. Ihre Lebensqualität wird massiv beeinträchtigt und sie haben mit den physischen und psychischen Folgen zu kämpfen, ganz besonders, wenn die überaktive Blase mit einer Inkontinenz einhergeht.
Die überaktive Blase ist gekennzeichnet durch einen imperativen Harndrang, der häufig mit Pollakisurie (häufige Blasenentleerungen bei meist kleinen Harnmengen, > 8 x am Tag) und Nykturie (nächtlichem Wasserlassen, > 2 x in der Nacht). Er kann mit oder ohne drangbedingter Inkontinenz auftreten. Frauen leiden häufiger als Männer unter einer Reizblase und die Prävalenz der überaktiven Harnblase steigt mit dem Lebensalter. Bei über 65 Lebensjahren beträgt die Häufigkeit bei Männern Schätzungen zufolge 22 % (mit Dranginkontinenz 10%), bei Frauen 38 % (mit Dranginkontinenz 19 %). Bei Männern führen Beschwerden einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) zu Blasenentleerungsstörungen. Imperativer oder nächtlicher Harndrang sowie obstruktive Miktionsstörungen können Folgen sein (weitere Infos hier: https://www.klein-naturarznei.de/fachkreise/news/47987_beschwerden-bei-benigner-prostatahyperplasie-lindern.html). Viele Menschen mit Reizblase zögern einen Besuch bei Arzt oder Heilpraktiker entweder aus Scham hinaus, oder weil sie die Symptome für nicht ausgeprägt genug halten oder sie einfach verleugnen. Wenn Sie sich dann dazu überwinden, sind ihre Symptome häufig schon stark ausgeprägt.
Als Auslöser der überaktiven Blase werden verschiedene Ursachen diskutiert. Ein Grund scheint u.a. ein Ungleichgewicht hemmender und erregender Impulse im ZNS zu sein. Auch muskuläre Einflüsse, zum Beispiel im Zusammenhang mit Alterungsprozessen gelten als Auslöser. Ebenfalls diskutiert werden funktionelle Veränderungen der urothelialen Rezeptoren. Darüber hinaus trägt möglicherweise eine erhöhte Ausschüttung von Transmittern durch die Verstärkung der afferenten Signale während der Urinspeicherung zur überaktiven Blase bei.
Das Behandlungsziel ist die Reduktion des imperativen Harndranges sowie der begleitenden Symptome und eine Verbesserung der diesbezüglichen Lebensqualität. Bei der Diagnose gilt es erst einmal andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen. Vor allem muss geklärt werden, ob es sich um eine neurogene überaktive Blase handelt, die durch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall oder Querschnittslähmung bedingt ist. Bei der überaktiven Blase liegen keine pathologischen Veränderungen des Harntraktes vor.
Nach einer ausführlichen Anamnese erfolgt eine körperliche Untersuchung. Eine Urinanalyse sollte durchgeführt werden, um einen Harnwegsinfekt auszuschließen und Begleitpathologien zu erkennen. Ultraschalluntersuchung des Harntraktes helfen Komplikationen wie Blasensteine auszuschließen. Zur Abgrenzung einer neurogenen überaktiven Blase kann eine Blasendruckmessung erforderlich sein. Sinnvoll ist auch das Führen eines Miktionstagebuchs über drei Tage, um Miktionsfrequenz und -volumina objektiv zu erfassen. Bei Männern muss eine Benigne Prostatahyperplasie oder ein Prostatakarzinom ausgeschlossen werden.
Therapie
Das therapeutische Spektrum reicht von allgemeinen Maßnahmen der Lebensführung über ein Blasen- und Beckenbodentraining bis hin zu einer medikamentösen Therapie und minimalinvasiven Verfahren wie der Injektion von Botulinumtoxin A und der sakralen Neuromodulation. Die Therapiestrategie bei der Reizblase muss sich an den Gegebenheiten des Patienten orientieren und sein individuelles Nutzen-/Risikoprofil sowie seine Erwartungen berücksichtigen.
Zu den Allgemeinmaßnahmen gehören u.a.
Medikamentös kommen vor allem Anticholinergika (Antimuskarinika) (z.B. Trospiumchlorid, Oxybutynin, Propiverin, Tolterodin, (Des-)Fesoterodin, Darifenacin und Solifenacin) und Mirabegron zum Einsatz. Diese werden verabreicht, wenn die Allgemeinmaßnahmen keinen Effekt haben oder die Symptomatik sehr ausgeprägt ist. Liegt bei Frauen ein postmenopausal abfallender Östrogenspiegel vor, kann eine dauerhafte lokale Östrogenanwendung angezeigt sein. Anticholergika können allerdings eine Vielzahl von Nebenwirkungen haben, was die Compliance des Patienten verringert. So kann es zu gastrointestinalen Störungen wie Mundtrockenheit, Übelkeit, Obstipation, abdominelle Schmerzen, Erbrechen und gastroösophagealer Reflux kommen. Aber auch Störungen des Nervensystems wie Agitation, Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit und Desorientiertheit, Sehstörungen, kardiovaskuläre Störungen, Harnverhalt oder Hautsymptome wie Rötung, trockene Haut und allergische Reaktionen zählen zu den Nebenwirkungen.
Zeigen die medikamentösen Therapiemaßnahmen keinen Erfolg, können minimalinvasive Verfahren zur Anwendung kommen, wie die Injektion von Botulinumtoxin A, und die sakrale Neuromodulation, bei der schwache elektrische Impulse den Sakralnerv, der die Blase und andere Muskeln kontrolliert, stimulieren und so die Detrusorüberaktivität regulieren. Um das Risiko von Harnwegsinfektionen bei der Anwendung von Botulinumtoxin A zu senken, ist eine kurzzeitige Antibiotikaprophylaxe indiziert. Operative Maßnahmen wie eine Ileozystoplastik (Harnblasenaugmentation) kommen lediglich in schweren, anders nicht zu behandelnden Fällen in Betracht.
Phytotherapie bei überaktiver Blase
Die Therapie der Reizblase und Blasenschwäche ist multimodal und kann neben den oben erwähnten Behandlungsoptionen auch phytotherapeutische Maßnahmen beinhalten.
Liegt der Reizblase eine Harnwegsentzündung zugrunde, können Präparate aus Goldrutenkraut (Solidago gigantea/vigaurea) eingesetzt werden (z.B. Solidagoren® mono oder Solidagoren® liquid). Die wichtigsten Inhaltsstoffe der Goldrute sind Phenolglykoside, Flavonoide, Triterpensaponine, Gerbstoffe, Kaffeesäurederivate und ätherische Öle. Sie sind für die diuretische, spasmolytische und schmerzlindernde, antibakterielle und antioxidative Wirkung verantwortlich. Die Goldrute beruhigt die irritierte Muskulatur der Blase und wirkt nachhaltig reizmindernd auf die Blasenschleimhaut. Bei einer akuten Reizblase, die als Folge von Harnwegsinfekten entstanden ist, kann auch die Therapie mit Bärentraube erwogen werden.
Wenn Stress und Nervosität die Reizblase begünstigen können Baldrian und Johanniskraut (z.B. Hyperforat® Nervohom), Lavendel sowie Melisse entspannend wirken. Ackerschachtelhalm kann bei schwachem Bindegewebe unterstützen.
Ist eine Reizblase mit einem Östrogenmangel in Verbindung zu bringen, können Sie eine Therapie mit Hopfenerwägen.
Kürbissamen (Curcurbita pepo semen) können die Blasenfunktion stärken und die gereizten Blasenrezeptoren dämpfen. Kürbissamen lindern insbesondere Probleme beim Wasserlassen bei gutartig vergrößerter Prostata. Die reifen getrockneten Samen der Kürbispflanze enthalten eine Reihe von Inhaltsstoffen (z.B. Linolsäure, Phytosterole, Tocopherole, Aminosäuren, Karotinoide und Mineralstoffe wie Selen), die sich besonders günstig auf die typischen Prostatasymptome auswirken, aber auch bei Frauen mit Reizblasensymptomatik wirksam sind. Bewährt hat sich das Phytotherapeutikum Prostamed® Tab (Kürbiskerne, Goldrute, Zitterpappel), dass die Blasenfunktion stärkt und die Urinausscheidung unterstützt. Die Inhaltsstoffe wirken antiphlogistisch, diuretisch, spasmolytisch und antibakteriell.
Extrakte aus Zitterpappel (Populus tremula L.) enthalten Verbindungen von Salicylsäure, Flavonoiden und ätherischen Öle. Deshalb gelten sie als schmerzstillend, schmerzlindernd, entzündungshemmend und antibakteriell. Sie haben sich bei benigner Prostatahyperplasie bewährt, kommen aber auch Beschwerden der Harnblase sowie der Reizblase zum Einsatz.
Weitere Heilpflanzen zur Linderung der Beschwerden einer benignen Prostatahyperplasie in den Stadien I und II sind Brennnesselwurzel und Sägepalmfrüchte. Häufig werden sie in untereinander oder mit anderen pflanzlichen Wirkstoffen wie der Zitterpappel kombiniert. Die wichtigsten Inhaltstoffe der Brennnesselwurzel sind u. a. Phytosterole, Lektine und Lignane. Sie lindern Beschwerden wie vermehrten quälenden Harndrang, häufiges nächtliches Wasserlassen und bessern das schmerzhafte Druckgefühl. Darüber hinaus beugt sie der Restharnbildung vor. In der Therapie hat sich das pflanzliche Arzneimittel Prostamed® urtica, ein Trockenextrakt aus der Brennnesselwurzel bewährt.